Unterzeichner des Aufrufs Für eine populäre Linke von Sahra Wagenknecht
Frage: Kannst Du dich kurz vorstellen?
Alexander King: Ich bin seit Mitte Dezember 2021 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Für die Linksfraktion bin ich dort energie-, medien- und entwicklungspolitischer Sprecher. Ich bin Diplomgeograf, habe zuletzt aber viele Jahre hauptamtlich in der Politik, konkret in der Bundestagsfraktion unserer Partei, gearbeitet. Ehrenamtlich war ich bis vor einem Jahr 5 Jahre lang Bezirksvorsitzender der LINKEN Tempelhof-Schöneberg.

Frage: Du gehörst zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs von Sahra Wagenknecht für eine Populäre Linke. Was erwartetest Du von dieser Initiative?
Alexander King: Die Initiative entstand im Vorfeld des letzten Bundesparteitags. Die Initiatoren und die 6500 Unterzeichner wollten ein inhaltliches und strategisches Angebot vorlegen, mit dem DIE LINKE stärker auf unsere Kernklientel zugehen sollte, mit einer stärkeren Fokussierung auf die soziale Frage und eine aktive Friedenspolitik. Damit verbunden war auch ein personelles Angebot. Wir haben die Kandidatur u. a. von Sören Pellmann als Vorsitzender unterstützt. Wir wollten einen Aufbruch, das heißt, auch eine kritische Auseinandersetzung mit falschen Weichenstellungen, die zu unserer Wahlniederlage im September 2021 geführt hatten. Es ist bekannt, dass die Kandidatur von Sören nicht erfolgreich war. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen für unsere schwachen Wahlergebnisse, auch bei Landtagswahlen, hat leider ebenfalls nicht stattgefunden. Auch gab es auf dem Parteitag keine Schwerpunktsetzung auf die derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen. Unser inhaltliches und personelles Angebot blieb unterlegen.
Nun wird es darum gehen, wie wir die guten Ansätze der Initiative trotzdem weiter im Spiel halten können. Positiv ist, dass nicht nur sehr viele Mitglieder der LINKEN den Aufruf unterstützt hatten, sondern auch viele Sympathisanten mit Interesse an der Zukunft der Partei. Diese Menschen warten jetzt darauf, wie es weitergeht. Meine persönliche Meinung ist deshalb, dass es falsch wäre, die Populäre Linke als Strömung innerhalb der Partei zu institutionalisieren. Besser wäre es, die Populäre Linke weiterhin als ein Angebot für Linke von innerhalb und außerhalb der Partei zu verstehen, um sich darüber zu verständigen, wie man in die weitere Entwicklung der LINKEN in einem links-populären Sinne intervenieren kann.
Frage: Du hast die Demonstration von „Heizung, Brot Frieden“ am 5. September vor dem Parteibüro der Grünen mit organisiert. Welches Ziel hatte sie, welches waren die wichtigsten Forderungen?
Alexander King: Wir hatten zwei Ziele: Wir wollten dem Verdruss, der sich angesichts der sozialen Probleme – steigende Lebensmittel- und Energiepreise, Gefährdung von Arbeitsplätzen – in der Bevölkerung ausbreitet, Ausdruck verleihen. Das war wichtig, bevor die Rechten das tun und den Unmut in eine destruktive Richtung lenken. Und wir wollten konkreten Forderungen Nachdruck verleihen: Energiepreisdeckel, Extra-Gewinnsteuer für Energiekonzerne, Schluss mit der Gasumlage, Schutz von Mietern, Verbot von Strom- und Gassperren. Das Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ hat sich im August gebildet. Zu den Initiatoren gehörten bekannte Berliner Aktivisten wie Michael Prütz, der schon „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ auf den Weg gebracht hat, der Autor Marcus Staiger und Uwe Hiksch von den Naturfreunden, außerdem einige Mitstreiter der Sammlungsbewegung „Aufstehen“.
Die erste Kundgebung am 5.9. wurde sehr schnell organisiert und konnte kaum beworben werden. Wir hatten deshalb mit höchsten 300 Teilnehmern gerechnet. Es kamen über Tausend. Das war ein schöner Erfolg, der uns ermutigt hat, am 3.10. nochmal nachzulegen.
Frage: Es ist kein Geheimnis, dass es unter den Organisatoren der Demo Uneinigkeit über die Forderung gibt, besonders was die Sanktionen gegen Russland (und Waffenlieferungen an die Ukraine) betrifft. Auf der gen. Kundgebung wurde die Forderung von Teilnehmer*innen wie auch der Rednerin Sevim Dagdelen vertreten. Wie stehst Du dazu?
Alexander King: Wir hatten, um das Bündnis nicht zu gefährden, uns darauf vereinbart, das Sanktionsthema im gemeinsamen Aufruf nicht anzusprechen. Aber selbstverständlich ist es einzelnen Partnern im Bündnis möglich, ihre Meinung dazu zu artikulieren. Ich persönlich halte es für ausgeschlossen, dass wir die wirtschaftliche und soziale Katastrophe, auf die wir zulaufen, abwenden können, wenn wir uns dauerhaft komplett von russischen Energielieferungen abschneiden. Das ist nicht schön. Das gefällt mir auch nicht. Aber wir müssen ehrlich sein. Wer in der Industrie oder im Handwerk arbeitet, wer ein kleines Geschäft führt, weiß um diesen Zusammenhang. Deshalb steht bei den Protesten, die jetzt vor allem in kleineren und mittelgroßen Orten in Ostdeutschland losgehen, genau dieses Thema – nicht nur Energiepreise, sondern auch Energiesicherheit, und damit verbunden: Kritik an der Sanktionspolitik – im Mittelpunkt.
Ich akzeptiere natürlich, dass in Berlin die Debattenlage zwischen den Bündnispartnern eine andere ist. Und auch in meiner Partei gehen die Meinungen zu diesem Thema bekanntlich weit auseinander.
Frage: Wie schätzt Du die zunehmenden Versuche ein, Demonstrationen gegen den Krieg, gegen Kriegsaufrüstung, Waffenlieferungen und Sanktionen als rechts und AfD-nah zu diffamieren?
Wird hier nicht die „rechte Gefahr“ instrumentalisiert, um das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu ersticken, wenn es um die Mobilisierung für die Ablehnung der Politik des Krieges und der sozialen Zerstörung der Regierung geht?
„Den Protest gegen die falsche Ampel-Politik den Rechten zu überlassen, das wäre dann der GAU für unsere Demokratie.“
Alexander King: Wir haben schon während der Corona-Pandemie erlebt, wie Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung pauschal als „rechts“, „AfD-nah“, „schwurblerisch“ oder ähnliches gelabelt wurde. Dabei gab es ein sehr breites Spektrum an Kritikern. Natürlich waren auch solche darunter, die fragwürdigen Verschwörungstheorien nachhingen oder schlicht Rechte waren. Aber es gab auch Kritik von Linken, die sich an den sozialen Folgen der Maßnahmen und an den starken Einschränkungen von Grundrechten entzündet hatte.
Leider setzt sich diese Debatten-„Kultur“ fort und werden jetzt in den aktuellen Debatten Kritiker der Sanktionspolitik oder von Waffenlieferungen sehr schnell in die rechte Ecke gestellt oder als Putin-Freunde verächtlich gemacht. Das ist nicht nur falsch, sondern hochproblematisch, weil sonst Protest gegen die falsche Ampel-Politik gar nicht mehr möglich sein oder aber eben wirklich den Rechten überlassen wird. Und das wäre dann der GAU für unsere Demokratie.
Frage: Eine weitere Demonstration von „Heizung, Brot Frieden“ ist am 3. Oktober geplant? Wird Sahra Wagenknecht als Rednerin dabei sein?
Alexander King: Nach meiner Kenntnis hat Sahra Wagenknecht am 3.10. keine Zeit. Es wäre aber meines Erachtens wichtig, dass sie, als stärkste Stimme des Protestes, zu einem anderen Zeitpunkt als Rednerin auftritt. Andere gute Redner sind nun für den 3.10. angefragt bzw. haben auch schon zugesagt, wie z.B. der Finanzexperte, Warburg- und Wirecard-Aufklärer Fabio de Masi.
Vorabdruck aus
Soziale Politik & Demokratie Nr. 475